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Ein Chauffeur und Geheimnisträger

Nachruf auf Ludwig Wollinger (1939)
Die vielen Stunden hat Ludwig Wollinger nicht gezählt, die er im Dienstauto mit Alt-Landeshauptmann Josef Ratzenböck verbracht hat, es müssen aber Jahre gewesen sein.

Dafür wusste er genau, dass es mit den acht Dienst-Mercedes 1,8 Millionen Kilometer waren. "Kein Unfall, keine riskante Situation, auch nie ein Strafmandat", sagt Josef Ratzenböck: "Der Wollinger hatte meinen Auftrag, sich an alle Vorschriften zu halten." Und das hat er getan, fast: Nach langen Verhandlungen in Wien begab sich Ratzenböck im Auto gerne in Schlafposition. "Meistens zog es mich um St. Pölten herum immer ein wenig nach vorn, als ich aufwachte. Da merkte ich, dass Ludwig Wollinger das Tempo wieder auf 130 km/h verringerte, weil er um eine Spur schneller gefahren war."

Wollinger und Ratzenböck waren 22 Jahre lang ein schier unzertrennliches Duo. Halb Europa haben sie im Dienstwagen durchquert, weil damals Flugreisen noch ungewöhnlicher waren als heute. Am Steuer bekam Wollinger die Landespolitik hautnah mit. "Er war ein Geheimnisträger erster Güte", lobt Ratzenböck Wollingers Diskretion.

Ludwig Wollinger stammt aus Niederkappel. Als er 16 war, zog die Familie nach Lembach. Der Vater war Maurer, die Mutter kümmerte sich um die fünf Kinder. Der immer recht wissbegierige Ludwig machte die Ausbildung zum Kfz-Mechaniker, chauffierte beim Bundesheer den Stabsarzt und danach in seiner Ausbildungsfirma den Werksdirektor. Als 1970 beim Land ein Chauffeur gesucht wurde, bewarb sich Ludwig und landete als Aushilfsfahrer bei Landeshauptmann Erwin Wenzl. Als Josef Ratzenböck 1973 Landesrat wurde, wechselte Wollinger auf dessen Fahrersitz.

"Wick" war zu dem Zeitpunkt bereits zwölf Jahre lang mit Gattin Herta verheiratet. Mit ihr und den beiden Töchtern Renate und Eva lebte er in Linz, verbrachte die Freizeit aber gern in Walding, wo er sich ein Wochenendhaus gekauft hatte. "Natürlich war Papa viel weg, er hat darüber aber kein einziges Mal gejammert, weil er seinen Beruf gelebt und geliebt hat", sagt Tochter Renate Primetshofer. Unvergessen sind ihr viele Ausflüge an Orte, die er zuvor mit Ratzenböck kennengelernt hatte und die er auch seiner Familie zeigen wollte. Einmal im Jahr ging es für ein paar Tage nach Grado, immer in dasselbe Hotel.

Früher fand man Wollinger oft in der Garage, wo er technisches Gerät oder Autos von Bekannten reparierte, deren Ansprechpartner er als technisch versierter Mensch war. Er brummte gelegentlich über die modern verbauten Motoren, an denen man nicht einmal mehr den Ölstand messen konnte. "Eigentlich war Papa aber sehr an moderner Technik interessiert. In seiner Pension begann er sogar am Computer zu arbeiten und auch das Handy hatte am neuesten Stand zu sein", sagt Renate, deren Tochter dem Opa bereits zwei Urenkerl geboren hat.

Die letzten Lebensmonate litt Wick an einem aggressiven Krebs. Josef Ratzenböck sprach ihm Trost zu. Das Gespräch wurde von der Familie aufgezeichnet und Wollinger ließ sich die Worte Ratzenböcks vorspielen, bevor er starb.