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Aloisia Karlhuber: 110 Jahre mit starkem Willen

Nachruf auf Aloisia Karlhuber (1907)

Als Aloisia Karlhuber, geborene Scheuchenstuhl, am Pfingstsonntag des Jahres 1907 in einem mittlerweile abgerissenen Bahnwächterhaus in Haidershofen bei Steyr zur Welt kam, regierte der alte Kaiser in Wien, die Frauen zwängten sich noch in Korsette. Pferdekutschen und Ochsenkarren dominierten überall in der Monarchie das Straßenbild.
 

1913 übersiedelte die Familie nach Krühub (Gemeinde Kremsmünster), da der Vater als Eisenbahner versetzt wurde. Die kleine Aloisia besuchte die Bürgerschule in Krühub, die heute noch als Volksschule existiert. Für die Prüfungen musste das Mädchen damals ins weit entfernte Linz reisen.

Nach dem Ersten Weltkrieg wurde der Vater vor die Wahl gestellt: Entweder er verkauft das große Grundstück in Kremsmünster, von dem man halbwegs leben konnte, oder seine Arbeit als Eisenbahner erhält ein anderer, der sie dringender brauchte.

Inflation fraß Ersparnisse auf

Also übersiedelte die Familie wieder nach Haidershofen. Der Verkaufserlös für das stattliche Anwesen fiel der Hyperinflation der Zwischenkriegszeit zum Opfer: Nur einen Laib Brot konnte sich die Familie für ihre gesamten Ersparnisse noch kaufen.

Nach der Schule begann Aloisia eine Schneiderlehre in Steyr, die sie mit der Meisterprüfung abschloss. Sieben Jahre war sie mit dem Ernsthofner Karl Karlhuber zusammen, bevor sie das nötige Geld für die "Aussteuer" zusammen hatte, um heiraten zu können. In dieser Zeit arbeitete Aloisia in Weyer und Ternberg als Gesellin. 1934 fand die Hochzeit statt, aber erst vier Jahre später sollte es mit dem Kinderwunsch klappen: 1938 kam Gertrude zur Welt, zwei Jahre später folgte Herta. Der 1942 geborene Max starb vor seinem ersten Geburtstag an Masern und Lungenentzündung. Karl erblickte 1944 das Licht der Welt.

Viel Glück hatte die Familie während des Zweiten Weltkriegs: Ehemann Karl brauchte nicht in die deutsche Wehrmacht einrücken. Er blieb als Lokführer im Dienst tun, nur einmal wurde sein Zug bombardiert. Als 1945 zwei geflohene KZ-Häftlinge über die Enns schwammen und bei Aloisia Hilfe suchten, ritzte sie den beiden Männern mit einer Rasierklinge die eintätowierten Häftlingsnummern aus dem Fleisch und verkleidete sie als Landarbeiter.

Nach dem Krieg bildete Aloisia als Schneiderin zahlreiche Lehrmädchen aus. Da Haidershofen in der sowjetischen Besatzungszone lag, spreizte ihr Mann einen Pfosten gegen die Haustüre, um seine Frau und die drei Kinder vor eindringenden Russen zu schützen.

Einmal schlugen russische Soldaten die Türe ein. Aloisia seilte sich mit zusammengebundenen Leintüchern aus dem ersten Stock ab und holte bei den Nachbarn Hilfe. Später musste Aloisia für die Besatzungsmacht Kleider und Decken nähen. Als sie die verlausten Stoffe auch noch waschen sollte, protestierte sie in der Kommandantur und setzte sich durch. Auch Frauen, die von den Russen eingesperrt wurden, konnte sie auf diese Art befreien. Sexuelle Übergriffe erlebte sie keine.

Kreuzworträtsel bis ins hohe Alter

Jeden Sonntag ging Aloisia zu Fuß in die Kirche. Nach einem Schlaganfall brachte ihr ihre Tochter Herta Winkler betend wieder das Sprechen bei und bis ins hohe Alter löste Aloisia Kreuzworträtsel.

Am Freitag um 2.10 Uhr schlief die drittälteste Österreicherin im Seniorenheim St. Peter/Au friedlich ein. Das Begräbnis findet heute, Donnerstag, um 14 Uhr in der Pfarrkirche Haidershofen statt.