Ein Prokurist und Kunstmensch

Alfred Wallinger wollte nach seiner Matura an der HAK Linz eigentlich studieren, aber die Nazis und ihr Krieg machten ihm einen Strich durch die Rechnung: Anstelle der Universität war für den jungen Ebenseer die Ostfront vorgesehen, wo er schwer verletzt wurde.

Wallinger machte nach dem Krieg trotzdem Karriere. Der sprachlich hochbegabte junge Mann wurde zunächst Dolmetscher für US-Soldaten in seiner Heimatgemeinde Ebensee. Dann heuerte er am Südufer des Traunsees beim Chemiebetrieb Solvay an, wo er Personalchef wurde und schließlich auch Prokurist. Da er fließend Französisch sprach, war er auch Ansprechpartner der belgischen Konzernmutter.

Erfüllung in der Musik

Trotz seines beruflichen Erfolgs waren aber die Künste die wahre Leidenschaft des hochintellektuellen Ebenseers, der täglich "Le Monde" las und interessiert die zeitgenössische Literatur verfolgte.

Seine Erfüllung fand er in der Musik, auch als aktiver Geigenspieler. Alfred Wallinger war Gründungsmitglied der Ebenseer Musikfreunde, denen er 45 Jahre lang als erster Geiger angehörte. Darüber hinaus war er 65 Jahre beim Ebenseer Kirchenorchester als Geiger und Konzertmeister aktiv. Als Liebhaber von Messen der Wiener Klassik ging er mit viel Neugier und Respekt an die Interpretation von Mozart- und Schubert-Werken heran. "Alfred Wallinger war ein Vorbild an Loyalität und Engagement", sagt Reinhard Hörmandinger von der Pfarrgemeinde Ebensee. "In beiden Orchestern hinterlässt er eine große Lücke."

Aber auch als Musikkritiker für die Salzkammergut-Zeitung machte sich Wallinger einen Namen. "Er war ein beseelter und gewissenhafter musikalischer Chronist", sagt Josef Aigner, ehemaliger Kulturredakteur der eingestellten Zeitung.

Und Wallinger gab sein musikalisches Erbe weiter - wenn vermutlich auch anders als geplant. Seine Söhne Klaus und Konrad gründeten in den Achtzigerjahren die Rockband GESMBH, aus der später der Kulturverein und Konzertveranstalter Kino Ebensee hervorging. Wallinger war intellektuell beweglich genug, diesen Stilbruch zu respektieren. Und seine Söhne sind ihm heute dankbar für sein musisches Vermächtnis. "Aufgrund seiner kulturellen Leidenschaft ruhte mein Vater ganz in sich", sagt Klaus Wallinger. "Das gab auch uns Orientierung."

Alfred Wallinger wurde bereits am Wochenende in Ebensee beigesetzt. Er hinterlässt neben seinen beiden Söhnen seine trauernde Ehefrau Hanna sowie den Enkelsohn Tristan, der sein ganzer Stolz war.