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Karl Fertner (1940-2016): Der Pilger mit der Mandoline

Nachruf auf Karl Fertner (1940)

Als er wusste, dass ihm der Krebs nicht mehr viel Zeit lässt, hat Karl Fertner die letzten Dinge auf Erden geregelt, sich nicht in Trauer abgekapselt, sondern Abschied von Freunden und lieben Gewohnheiten genommen.
 

Für den Begräbnisgottesdienst in der evangelischen Pfarrkirche von Steyr erbat er sich von den Bandmitgliedern seiner "Bluegrass Family" den Gospelsong "I am Pilgrim" über eine lebenslange Pilgerschaft. Jenes Lied, das wie keines andere für den mit 76 Jahren verstorbenen ehemaligen Betriebsleiter von "TEAMWork" in Steyr stand: Ein Mann, der sich als gläubiger Christ bekannte, und der es mit jedem Menschen, dem er begegnete, gut meinte.

Kraftquelle für den 1940 in Sankt Pölten geborenen und als Sohn einer Alleinerzieherin aufgewachsenen Jugendlichen war schon damals auch die Musik. Der Lehrling in der St. Pöltner Voith warf im Tanzcafé in die Jukebox ein, dass sie Elvis Presley und Bill Haley über den Lautsprecher herausrückte. Zu Hause hing der Lehrbub am Radio und lauschte Mozart, Beethoven und die Callas. Ein Freund nahm ihn eines Tages in den Gitarrenunterricht mit, worauf der Lehrer aus Mitleid dem Gast, der sich kein Instrument leisten konnte, aus dem Fundus der Musikschule eine alte Mandoline schenkte.

Fertner, mit einem feinen Musikgehör gesegnet, zupfte bald auf den acht Saiten die Melodien aus dem Radio nach. Als Geselle kam der Mostviertler dann in die Steyr-Werke und fand schnell in der Stadt im Mandolinenorchester "Arion" Aufnahme. Die Musikerfreunde halfen ihm durch die Noten und der spätere Professor am Wiener Konservatorium Walter Würdinger gab dem Neuzugang Ezzes.

In Steyr fand Fertner auch die Frau fürs Leben. Die Ehe hielt, bis der Tod sie 1984 schied. Der Witwer, der in diesen Jahren viele Berge bis zum Matterhorn erkletterte, zerbrach nicht am Kummer. 1990 heiratete er Sonja, seine zweite große Liebe. Das Berufsleben beendete Fertner als Betriebsleiter von "TEAMWork", wo er Jugendliche ausbildete und ihnen über das Berufsleben hinaus Halt gab.

Als Pensionist kehrte Fertner in das "Arion"-Orchester zurück, für das er neues Notenmatetrial erstellte und dessen Repertoire er maßgeblich erweiterte. In einem kleinen Ensemble gelang es ihm auch, Freunde für die amerikanische Bluegrass-Musik zu begeistern. Dem Himmel dankte Fertner für die Freude, wenn im Orchester seine Tochter Brigitte neben ihm Querflöte spielte. Drei Wochen vor seinem Ableben gab er die Vereins-Mandola zurück, auf der er zuletzt soliert hatte, seine geliebte F5-Gibson-Mandoline bot er bei eBay an. Der "Pilger" machte vor seiner Wallfahrt in eine andere Welt dabei kein trauriges Gesicht.